Dresden-Neustadt, neun vor elf

Vertrauter Ort, an dem ich stehe
dieser Abend, und dann endlich hier
Jetzt nur die eine Chance nutzen
Jetzt nur den Mut nicht mehr verliern! 

Vertrautes Misstraun’, sogar jetzt noch
Jemand, der lautstark Sprüche klopft
Lachen und Tränen dicht beieinander
Es gibt jetzt keinen, der nicht hofft 

Die Türen schlagen, laute Pfiffe
Hände, die winken, ein letzter Blick
Nein, nicht bis bald, bis ungewiss
Menschen treten vom Bahnsteig zurück 

Was hatten sie dafür gegeben?
Wie viel riskiert, um hier zu sein?
Nicht mehr gewillt für ein falsches Leben
Sich zu verbiegen, nur zum Schein 

Was auf dem Spiel stand – überstanden!
All die Drangsal, und die Angst
Sie würden dich doch mürbe machen
und dich dann kriegen, wenn du wankst 

Ungläubiges Staunen, erfüllte Sehnsucht
Hier bleiben die, die draußen stehn
Die roten Lichter werden kleiner
Manche schauen, bis sie nichts mehr sehn 

Schon wird es stiller, die ersten gehn
einige laufen mit gesenktem Blick
nun wird es spürbar, die Entscheidung
doch nun gibt es kein zurück 

In die Stimmung mischt sich Wehmut
wer wünschte nicht, er wär es selbst
der jetzt in diesem Zug mit säße
von Dresden-Neustadt, neun vor elf 

 

© 2013 Ansgar Hoffmann